Drohnen: Abwehr vs. Taktik
Drohnenabwehr vs. Drohnentaktiken, das strategische Tauziehen
Die Nutzung von Drohnen durch Polizeibehörden nimmt zu: Für die Überwachung von Menschenmengen, die Lagebeurteilung bei Großereignissen und die Unterstützung bei Katastropheneinsätzen gelten sie inzwischen als unverzichtbar. Gleichzeitig erinnert die jüngste Meldung über illegale Drohnenflüge über dem Münchner Flughafen daran, dass dieselben Systeme nicht zuverlässig vor Missbrauch oder Störungen schützen. Daraus ergibt sich die zentrale Frage: Wo liegen die Schwächen der Abwehrtechnologien, und wie einfach lassen sie sich aushebeln?
Stand des Ausbaus — zwischen Risikoanalyse und Wirtschaftlichkeit
In Deutschland und Europa verfolgen Behörden und Betreiber kritischer Infrastrukturen derzeit eine risikobasierte, abgestufte Strategie. Drohnenerkennungssysteme werden dort installiert, wo potenzielle Schäden oder Störungen besonders hoch sind: an Flughäfen, bei Großveranstaltungen und in sensiblen Industriearealen. Meist werden Radar-, Funk- und optische Sensoren kombiniert; Interventionstechniken wie Jammer oder Netzwürfe sind rechtlich jedoch stark eingeschränkt.
Eine EU-weit einheitliche Vollabdeckung ist weder technisch noch wirtschaftlich realistisch. Studien zeigen: Allein die Installation eines modernen C-UAS-Systems (mehr dazu hier) an einem Großflughafen kostet rund 2,5 bis 3 Millionen Euro, dazu kommen jährlich bis zu 500.000 Euro Betriebskosten. Zum Vergleich: Der wirtschaftliche Schaden einer zweitägigen Flughafenschließung durch Drohnensichtungen kann laut einer Untersuchung am Flughafen Frankfurt/Main über 10 Millionen Euro betragen, bei internationalen Drehkreuzen sogar deutlich mehr. Das berühmte Beispiel Gatwick 2018 verursachte geschätzte 55 Millionen Euro Folgekosten. Diese Gegenüberstellung zeigt, dass sich gezielte Investitionen in Abwehrtechnik wirtschaftlich schnell amortisieren können. Flächendeckende Prävention bleibt jedoch finanziell unhaltbar und technisch begrenzt.
Deshalb konzentrieren sich Betreiber auf Szenarien mit höchster Eintrittswahrscheinlichkeit und größtem Schadenpotenzial, statt auf die Illusion eines vollständigen Schutzes. Europäische Agenturen wie EASA oder NPSA empfehlen explizit, Schutzpakete modular und standortspezifisch aufzubauen.
Wie Angreifer mit Drohnen Abwehrsysteme umgehen
Wer Abwehrmechanismen austricksen will, nutzt meist einfache, aber wirkungsvolle Mittel: geringe Größe, niedrige Flughöhe, minimalen Funkverkehr oder rein vorprogrammierte Flugrouten. Besonders Schwärme kleiner Drohnen stellen Abwehrsysteme vor massive Herausforderungen, ihre schiere Anzahl überfordert Radarfilter und Entscheidungssysteme.
Typische Strategien zur Umgehung:
- Timing: Einsätze bei Dämmerung oder Nacht, wenn optische Sensoren weniger effektiv sind.
- Redundanz: Viele billige Geräte statt eines hochwertigen Systems.
- Überlastung: Gleichzeitige Flüge aus verschiedenen Richtungen, um Prioritäten zu verwirren.
Aktuelle Abwehrlösungen sind meist auf einzelne Ziele ausgelegt, nicht auf koordinierte Schwärme. Daraus entsteht eine asymmetrische Lage, in der geringe Mittel auf Angreiferseite erhebliche Abwehrressourcen binden.
Schwächen der Abwehr und nutzbare Angriffspunkte
Die vielversprechendsten Abwehrstrategien kombinieren Frühwarnsensorik, Mustererkennung und gestufte Intervention. Doch selbst hier bleiben Schwachstellen:
- Erkennungslücken bei sehr kleinen oder getarnten Drohnen;
- Skalierbarkeitsprobleme bei simultanen Angriffen;
- rechtliche Einschränkungen für aktive Maßnahmen in dicht besiedelten Räumen;
- fehlende Datenintegration zwischen ziviler und militärischer Abwehr.
Angreifer können diese Punkte gezielt ausnutzen, oft reichen dafür preisgünstige Systeme im dreistelligen Eurobereich.
Resümee, strategische Gegengewichte und Trends
Das Verhältnis zwischen Abwehrtechnologien und Drohnenresistenz bleibt ein strategisches Wettrennen. Während Verteidiger in multisensorische Systeme, KI-gestützte Erkennung und abgestufte Reaktionspläne investieren, optimieren Angreifer Tarnung, Autonomie und Schwarmkoordination.
Kurzfristig liegt der Fokus auf Kosteneffizienz und Skalierbarkeit: Ein „95-Prozent-Schutz“ ist wirtschaftlich und operationell sinnvoller als ein theoretisch vollständiger. Langfristig aber braucht Europa verbindliche rechtliche Rahmenbedingungen für Eingriffsmaßnahmen, gemeinsame Datenplattformen und realistische Kosten-Nutzen-Modelle für unterschiedliche Infrastrukturen.
Solange kleine, autonome Systeme billig und verfügbar bleiben, wird die Abwehr nie absolut sein, sie bleibt ein System aus Technik, Taktik und Politik. Wer schützen will, muss daher nicht nur investieren, sondern strategisch denken: Was ist akzeptables Risiko und was nicht?
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